Bewusstseinstexte Dr. W.-J. Maurer

Lieben lernen

das Herz öffnen für sich selbst und andere

von Dr. Wolf-Jürgen Maurer

 

Psychotherapie ist nachweislich (um die 70%) hochwirksam.

Aber was heilt eigentlich in einer Psychotherapie?

Ich behaupte v.a. Glaube, Liebe Hoffnung.

An Hilfe glauben, Hoffnung schöpfen, Vertrauen lernen mithilfe korrigierender Beziehungserfahrungen und sein Herz für all das Unangenommene und Ungeliebte in sich zu öffnen, das heißt alle Gefühle anzunehmen und sich selbst bejahen zu lernen, um damit mit der eigenen Liebesfähigkeit in Kontakt zu kommen. Um so mit dem eigenen geistigen Wesen, das Liebe ist in Kontakt zu kommen, das zwiebelschalenartig wie ein goldener Buddha unter einer Lehm-oder Schlammschicht von Schmerz aus alten Beziehungsverletzungen, Angst-, Scham-und Schuldgefühlen und einem emotionalen Schutzpanzer versteckt ist. Damit diese Liebe, die wir eigentlich sind, fließen kann und wir Liebe schenken können.

Es geht in einer entwicklungsfördernden Psychotherapie wie ich sie verstehe nicht um Symptombekämpfung, denn die Symptome sind nur Botschafter der Seele, dass etwas nicht stimmt und v.a. etwas fehlt. Was fehlt, das gilt es in einer gemeinsamen Forschungsexpedition zum eigenen Selbst zu entdecken, um immer mehr der Mensch zu werden, der ich sein könnte, wenn meine ängstlichen Trennungsgedanken resultierend aus alten Verletzungen mich nicht mehr länger in einem Selbst-und Weltbild voller Scham, Schuld, Hass und Angst gefangen hielten.

Psychotherapie ist also so verstanden Hebammenarbeit für die Selbst- und Liebesfähigkeit eines Menschen mit dem Ziel, inneren Frieden als Basis jeglicher Heilung zu finden und emotionale Verbundenheit mit sich selbst und anderen; denn in diesem Punkt der emotionalen Verbundenheit haben besonders Menschen, die Beziehungsverletzungen erlitten (und das sind wir, mehr oder weniger, alle!) und in Folge dessen psychische oder psychosomatische Symptome entwickelt haben, zumindest einen deutlichen Wackelkontakt.

Geringes Selbstwertgefühl, besser Selbstmitgefühl-was ganz und gar nicht dasselbe wie Selbstmitleid ist, zählt in den meisten Fällen zu den Auslösern von psychischen Störungen und auch Beziehungsstörungen.

Gefühle machen das Leben nicht nur bunt, sondern können lähmen oder zerstörerische und verletzende Verhaltensweisen hervorbringen. Menschen mit Minderwertigkeitsgefühlen haben wenig Lebensfreude und Selbstvertrauen, sie erleben die Welt oft als bedrohlich und ihre Mitmenschen als feindlich. Ohnmachtgefühle, Schuldgefühle, Ängste und versteckte Aggressionen können ihre emotionale Welt beherrschen.

Aber auch manche erfolgreiche Menschen können von tiefen Minderwertigkeitsgefühlen befallen sein. Unbewusste, verdrängte und überkompensierte Scham-und Minderwertigkeitsgefühle sind oft Auslöser für Herzinfarkte und stressbedingte Krankheiten.

Viele Menschen verurteilen sich selbst und sind sich dessen allerdings lange nicht bewusst. Erst in einer Krise, meist in der Lebensmitte, werden Sie sich ihres Selbstunliebeprogramms allmählich bewusst. Deshalb sind Krisen leider oft notwendig für Menschen, um aufzuwachen. Viele unbewusste Gedanken, die es in uns denkt, stammen aus unserer Kindheit. In jedem Erwachsenen steckt noch das Kind, das er einmal war. Wird ein Kind in eine wenig einfühlsame , ablehnende oder emotional kalte Beziehungs-Umwelt geboren, verinnerlicht es oft unbewusst ein Erleben von „So wie Du bist, bist Du nicht okay!“

Als Kind erfuhren wir häufig schnell, dass Liebe und Aufmerksamkeit abhängig von unserem Wohlverhalten war. Die Sehnsucht des Kindes nach Liebe und Aufmerksamkeit kann sehr schnell dazu führen, dass es sich den Vorstellungen der Eltern anpasst, und versucht, in ein Ideal-Bild zu passen, das es sich selbst über sich macht, um sich Zuwendung und Zugehörigkeit zu „verdienen“. Wie oft sagen Sie sich: „Ich sollte mich nicht so gehen lassen“, “Ich müsste…“? Dieser kritische perfektionistische druckmachende Antreiber in einem sucht regelrecht immer wieder nach äußeren Beweisen, dass man so wie man ist, noch nicht okay ist. Und er versucht einen vor Ablehnung oder Kritik zu schützen, in dem er immer mehr und ohne Maß und Mitte zu zwanghafter Selbstoptimierung anpeitscht, um ein sonst ständig lauerndes Gefühl von Scham, Schuld und Angst abzuwehren. So geraten wir als Erwachsene immer mehr ins Tun, statt ins Sein!

Wenn ich es nicht gelernt habe, mich selbst liebevoll anzunehmen, wird es mir leider auch nur schwer möglich sein, Liebe von außen anzunehmen. Da es kaum einen Menschen gibt, der sich wirklich selbst lieben kann, suchen wir fast alle die Liebe da draußen. Der Glaube, so wie wir sind nicht liebenswert und nicht gut genug zu sein, steckt auch hinter der zunehmenden Versüchtelung unserer Gesellschaft, der ungestillten Gier und Sucht nach Anerkennung und Liebe. So sind nicht wenige von uns regelrechte Anerkennungs-Junkies! Der andere Mensch soll dann das erlebte Loch im eigenen Ich füllen und mich als „Mangelwesen“ (das sich selbst durch eigene Angstgedanken und Selbstverurteilungen abgetrennt fühlt von der Liebe, die er selbst in seinem wahren Wesen ist) ganz und glücklich machen!! Manche finden den Satz ja schön oder romantisch: „Ich brauche dich und kann ohne dich nicht leben!“ Das aber ist Ausdruck und Beweis für das eigene Mangeldenken und Mangelempfinden.

Wir glauben, einen anderen Menschen zu lieben – und verwechseln es nicht selten einfach nur mit „Verliebtheit“. Doch wir sind uns nicht bewusst, dass uns unser Ego, der ängstliche und ständig urteilende Teil unseres Geistes, mit dem wir uns fälschlicherweise identifizieren, mal wieder in eine Falle gelockt hat. Das Ego hat uns heimlich zugerufen: „Da ist wer, der kann dir bestimmt ganz viel Liebe geben. Jetzt haben wir endlich gefunden, was wir brauchen. Wozu sich selbst lieben? Ist doch gar nicht nötig. Und denk doch mal nach, hast du wirklich einen Grund, dich selbst zu lieben? Denk doch mal nach, was du im Leben schon alles für Fehler gemacht hast.“

Wir verlieben uns in Partner, von denen das Kind in uns unbewusst hofft, dass er oder sie uns eine liebevolle Selbstannahme erspart und uns das gibt, was wir selbst nicht zu haben glauben. „Lieb du mich, finde du mich toll oder bewundere und bestätige mich, damit ich mich in deinem Spiegel selbst mögen kann und gut fühle!“ Aber diese besondere Form von Beziehung kann genauso schnell in Ablehnung oder gar Hass umschlagen, da sie letztlich nur Ausdruck eigenen Selbsthasses und Minderwertigkeitsempfinden ist, die sie quasi als Suchtmittel überdecken soll. Doch schon nach kurzer Zeit bemerken wir, dass irgendetwas nicht stimmt. Uns fallen die ersten „Macken“ des anderen auf. Nichts Besonderes. Kleinigkeiten, die werden wir schon in den Griff bekommen. Doch die Macken fangen mit der Zeit an, uns immer mehr zu stören. Anstatt bei uns selbst zu bleiben, uns mit uns selbst und unserer fehlenden Eigenliebe zu beschäftigen, ist unsere Aufmerksamkeit immer mehr bei dem anderen. Wir fangen an, Macken zu zählen. So verlieren wir unsere Liebe ganz allmählich. Der Partner wurde benutzt als rettender Selbststabilisator und nur solange „geliebt“ wie er diese Plombenfunktion leidlich erfüllt. Dabei kann man die Liebe anderer nur soweit annehmen wie man sich selbst annimmt und liebevoll bejaht! Der Schmerz des eigenen Selbstunliebeprogramms kommt dann aber umso stärker wieder ans Tageslicht, wenn jemand irgendwann schließlich verlassen wird, weil er zu viel klammert, zu viel fordert , zu sehr um sich selbst kreist oder sich selbst oder/und den Partner nicht respektiert und die Beziehung zerbricht, oder die Liebe und Verbundenheit verloren geht, weil man sie nicht sorgfältig gepflegt hat. Dann geht es bei dem Verlassenen darum, zu verstehen, dass es nun dringend an der Zeit ist, sich selbst lieben zu lernen, damit es ihm wieder gut gehen wird, er sich nicht in einer Opferrolle einnistet oder sich nur rasch wieder einen neuen Rettungsstrohhalm sucht. Denn leider liegt bei Verlassenen die ganze Aufmerksamkeit bei dem Anderen. Dieser Mangel-Schmerz geht nur, wenn man aufhört, sich weiter selbst zu verlassen, sich mit seinen Gedanken und Urteilen von andern Menschen abzutrennen, und allen unterdrückten und im Körper gespeicherten ungeliebten Gefühlen erlaubt, da zu sein, achtsam-mitfühlend gespürt zu werden, bis dahinter das reine Bewusstsein von Frieden und die Liebe auftaucht , die immer da war jenseits und hinter den Gedanken und den Geschichten, die unser von der Vergangenheit geprägter Verstand erzählt. In jeder Krise liegt ja bekanntlich eine große Chance verborgen-sich endlich selbst näher zu kommen. Wie kann es –wie oft im Rahmen einer Therapie erlebt- sein, dass jemand, der verlassen wurde und zunächst diesen Schmerz kaum zu ertragen vermochte, auf einmal glücklicher ist, als jemals zuvor? Ganz einfach: er hat gelernt, sich selbst liebevoll anzunehmen. Auf einmal entsteht eine unglaubliche innere Stärke, die man oft noch niemals vorher gespürt hat. Der Partner kann dann mit Leichtigkeit und in Liebe gehen gelassen werden (was nicht selten dazu führt, dass er von ganz alleine wieder zurück kommt).

Leider sind viel Menschen wahre Beziehungszerrüttungsprofis. Das fängt mit unserem Aufmerksamkeitsfokus an, denn unser Ego sucht immer nach Trennendem oder zu Bemängelndem. Wohin lenken wir unsere Aufmerksamkeit? Auf das Schöne oder auf den Makel? Es ist unsere Wahl, unsere Entscheidung. Solange ein Partner neu ist, sehen wir das Schöne und Makellose, ja oft idealisieren wir ihn und vergötzen ihn geradezu. Doch sobald wir den ersten Fleck in der reinen Weste entdeckt haben, suchen wir weiter.  Es ist, als können wir unsere Augen nicht mehr davon lassen. Immer wieder kreisen unsere Gedanken darum. Woran denken Sie, wenn Sie über sich selbst nachdenken? Denken Sie an Ihre guten Taten, an Ihre Erfolge? Denken Sie daran, was Ihnen im Leben schon alles gelungen ist, oder sind Sie eher frustriert über alles, was Ihnen nicht gelungen ist? Wenn Sie sich selbst lieben, dann richten Sie Ihren Blick immer auf das Gute. Jeder Mensch hat seine Fehler. Jeder versagt hier und dort. Das ist völlig normal. Doch jeder Mensch hat auch seine ganz persönlichen Stärken. Dinge, die er besonders gut beherrscht. Wenn Sie Liebe empfangen wollen, fangen Sie wieder an, sich selbst diese Liebe zu geben. Schauen Sie, was Sie gut im Leben gemacht haben. Erfreuen Sie sich daran. Und entscheiden sich wieder dazu, anderen Menschen Liebe zu schenken und mit liebevollen Augen zu sehen.

Ich brauche dich nicht zum Überleben, aber ich will mit dir leben“, das wäre ein Satz, wenn er denn wahrhaftig ist, der die Beziehung auf ein stabiles Fundament stellt und eine selbstannehmende kraftvolle Identität anzeigt als stabiler Brückenpfeiler, auf dem zu einem anderen Menschen, welcher ebenfalls eine stabile Identität durch mitfühlende Selbstannahme gelernt hat, eine tragfähige Beziehungsbrücke gebaut werden kann. Wenn wir uns selbst lieben würden hätten wir uns vergeben für alle unsere scheinbaren Fehler. Und wenn wir uns vergeben, dann gibt es auch keinen Grund mehr, jemand anderem nicht zu vergeben, was heißt über seine Fehler hinwegzusehen und uns auf seine Stärken zu fokussieren und uns immer wieder zu entscheiden, ihn mit liebevollen Augen zu sehen und ihn zu lieben. Jeden Tag neu (was nicht heißt, dass wir nicht gerade in der Liebe auch ein Nein wagen werden).

Um lieben zu können dürfen wir uns nicht mit unserem kleinen Angst-Ich fälschlich identifizieren, das uns klein oder über die Maßen überragend sehen und erschein lassen will. Nur vollkommene Liebe vertreibt die Angst des illusionären Mangel-und Mängelwesens, als das wir uns aus unserer Ego-Brille heraus wahrnehmen. Denn dann strengen wir uns permanent und krampfhaft bis zur totalen Erschöpfung an, diesem vermeintlichen Mangel abzuhelfen. Wir leben unser Leben pflichtversessen und hochfunktional.

Fragen Sie sich, was machen Sie alles, um Anerkennung zu bekommen? Selbstwert über Leistung ist das Hauptfolterinstrument von Anerkennungsjunkies! Auch hinter diesem Leistungsmuster steckt die Flucht vor der Selbstbegegnung, den eigenen Gefühlen, die Unfähigkeit Stille und Inaktivität zu ertragen, weil man sich selbst nicht aushalten kann. Wie sollen einen dann aber andere Menschen aushalten? Fragen Sie sich, was Sie selbst im Übermaß tun, um sich selbst nicht zu begegnen und um sich selbst nicht zu spüren und zu fühlen: Arbeiten, Essen, Sex, Alkohol, Pillen, konsumieren, shoppen. Deshalb ist eine sehr wichtige und hocheffektive, aber gefürchtete einfache Übung in der Therapie der sogenannte Inaktivitätstag, wo ich mich mit mir selbst konfrontiere ohne mich abzulenken oder irgendetwas zu tun, um endlich in Kontakt mit den vermiedenen Gefühlen, Selbstanteilen, Wünschen, Ängsten und Sehnsüchten zu kommen- um mich selbst wirklich zu spüren und zu lernen, mich selbst mit allen Facetten meines Selbst und Gefühlen anzunehmen-auch den abgespaltenen Schattenseiten!

Die Erfahrung, die schon kleine Kinder oft machen mussten während der Erziehung ist, dass die kindlichen Gefühle nicht akzeptiert wurden, was dazu führt, dass das Kind selber sich später ablehnt und verurteilt für seine eigenen Gefühle. Eltern wollen Kinder schützen vor ihren unangenehmen Gefühlen und versuchen sie ihnen auszureden. Meist allerdings steckt oft eher das unbewußte Motiv der Eltern dahinter, sich damit vor eigenen vermiedenen Gefühlen abzuschotten. Allerdings lernen so fast alle Kinder früh, ihre Gefühle zu verstecken. Sie werden dann immer mehr Gefangene der im Körper deponierten Gefühle, die meist in körperlich-muskulären Spannungen weggepackt und gespeichert werden! Je nachdem wie andere Menschen sich später uns gegenüber verhalten, sind sie dann nur der Auslöser, der Klingelknopf, aber nicht die Ursache der Gefühle, die schon lange in uns drinstecken, jetzt aus ihrem Kellerdasein ins Bewusstsein drängen und sich von uns nur eines wünschen, nämlich angenommen zu werden. Der früh dressierte überangepasste Teil in uns glaubt, diese eigenen Gefühle bekämpfen zu müssen, z. B. mit positivem Denken, mit Ablenkungsstrategien, Essen, Trinken, Arbeiten. Aber alle Gefühle wollen wie alle Kinder vor allem eins, bewusst angenommen und gefühlt werden, dann verwandeln sie sich. Was wir bekämpfen, das stärken wir. Nur gefühlte Gefühle können sich verändern. Sonst überschwemmen sie uns irgendwann, wenn sie genügend aufgestaut wurden oder gehen in den seelischen Untergrund und sabotieren unser Leben oder blockieren unsere Lebensenergie, die wir im Kampf gegen uns selbst verbrennen.

Alles im Leben ist Beziehung. Beziehung zu uns selbst, der Welt und zu anderen Menschen, zu unseren Gedanken und Gefühlen. Kein Gefühl ist an sich schlecht, sondern allein die Beziehung, die wir ihm gegenüber einnehmen, entscheidet über seine Wirkung, über Nutzen oder Schaden. Deshalb ist Bewusstheit unserer Gedanken und Gefühle zu entwickeln so wichtig. Für Beziehungsfähigkeit zu anderen Menschen braucht es emotional offene Begegnung, und damit diese gelingt, braucht es eine positive Selbstbeziehung, sich selbst möglichst liebevoll anzunehmen und zu bejahen! Ohne ein offenes Herz für sich selbst gelingt keine Begegnung mit anderen Menschen. Dabei stellt Begegnung das Lebenselixier schlechthin dar. Begegnung heilt. Nicht zu begegnen, fühlt sich schlecht an, macht letztlich krank. Eine Begegnung findet statt, wenn man sich dem anderen gegenüber öffnet. Wie schmerzlich erleben wir Partnerschaften, wenn sie zu formalen Beziehungen verkommen sind. Dennoch ist es schwer, sich von jemandem zu trennen, der einen nicht (mehr) liebt. Um dies durchziehen zu können, bedarf es einer funktionierenden Verbindung zu sich selbst. Wenn wir keine echte Nähe zu uns selbst entwickelt haben, verhindert dies die notwendige Trennung zum anderen. Beziehungen auf der persönlichen Ebene, die formal, also unpersönlich ablaufen, sind stets kränkend. Warum aber vermeiden Menschen so häufig Begegnungen in persönlichen Beziehungen und fügen damit großes Leid zu? Wir können uns der offenherzigen Begegnung nicht aussetzen, wenn wir uns im Grunde nicht selbst bejahen, den Wert unseres Selbst nicht anerkennen können. Dann sind unsere Beziehungen von Selbstbestätigung und Rechtfertigung oder Abschottung geprägt. Andererseits sind viele Menschen eigentlich nicht beziehungsfähig, weil sie sich nicht abgrenzen können. Viele Menschen können Distanz nur schwer aushalten und deshalb schwer Nein sagen (aber es gibt leider auch oft viele, die zu oft Nein sagen und zu selten ein volles Ja!). Sie verraten sich selbst für eine Beziehung. Und wenn sie dann irgendwann trotz aller Anpassungsbemühungen und Selbstaufgabe verlassen werden, weil der Partner schließlich den Respekt verloren hat, weil sie sich ja selbst nicht respektierten, haben sie neben dem Partner längst sich selbst auch verloren. Das ist tragisch. Die Kraft des Nein wird aus dem Ja zu sich selbst gespeist. Aber auch Egoismus und Narzissmus sind Folge und Ausdruck fehlender Selbstliebe. Ein Egoist ist ein Mensch, der andere radikal dazu benutzt, seine eigenen Ziele zu unterstützen. Der aufgeblähte, sogenannte Selbstwert des Narzissten ist so verletzlich, dass er sich im Falle der geringsten Bedrohung desselben aggressiv verteidigen muss. Die Beziehungsunfähigkeit ist also die Folge mangelnder Selbstbejahung. Und Selbstbejahung ist Ausdruck der Liebe zu uns selbst. Können wir uns nicht selbst bejahen, retten wir uns in formale Beziehungen, um die Gefahr der Selbstdestabilisierung in Begegnungen zu vermeiden. Damit stoßen wir andere zurück und verletzen sie, oft ungewollt und unbewusst, und unser Schutzverhalten verursacht dabei genau die Ablehnung, die wir eigentlich verhindern wollten. Wenn wir uns hingegen auch mit verletzlichen Gefühlen zeigen, geben wir anderen Menschen die Chance, uns mit Mitgefühl zu begegnen, was,- wenn wir es denn annehmen-, uns nicht nur tröstet, sondern auch in unserer Persönlichkeit bestärkt. Solcherart entsteht über das liebende Ja eines anderen die Liebesfähigkeit zu uns selbst.

Wenn Selbstliebe allerdings nicht möglich ist, ist dies das Resultat tief liegender negativer Überzeugungen. Kündigung, Trennung, aber auch ganz kleine, sich zu Herzen genommene Benachteiligungen und Zurückweisungen können diese tiefe Kränkung aktivieren. Die Betroffenen reagieren nicht nur auf aktuelle Verletzungen, sondern auch auf die gleichzeitig aktivierten frühen Kränkungen. Das Einzige, was dagegen hilft, ist Selbst-Mitgefühl, ist die Selbst-Liebe, die es zu aktivieren gilt. Dazu ist es hilfreich, Menschen zu treffen, die uns bejahen. Diese bedingungslose Liebe von einem anderen zu bekommen, eröffnet uns die Chance, uns selbst zu lieben.

Im Rahmen einer modernen integrativen ambulanten oder stationären Psychotherapie lernt der Patient, alte selbstwertschädigende Grundüberzeugungen und verinnerlichte „Antreiber-Sätze“ erkennen und gegen zu handeln. Ego-Identifikationen (überhöhtes krankmachendes Idealbild) werden überprüft, eigene Be-Wertungs-Muster bewusst gemacht. Mit Hilfe von Imaginationen („Reise und Kontakt zum inneren Kind“) und Achtsamkeitsübungen, Meditationen oder Autogenem Training gelangt der Patient zu „Herzensruhe“ im inneren Raum der Stille. Hilfreich sind weiter oft Familien-Stellen und Arbeit mit Selbst-Anteilen („innere Familienkonferenz“): Der Patient lernt sein „inneres Team“ seiner komplexen Persönlichkeit kennen, dem „inneren Kritiker“ zu widersprechen, einen „wohlwollenden inneren Begleiter“ aufzubauen mit fairer Fürsorge für „das verletzte bedürftige Kind“ im Sinne einer gesunden Selbst-Beelterung. Der Patient entwickelt heilsame Alltags-Rituale und lernt in Selbsterfahrungs-gruppen soziale Kompetenz und emotionale Kommunikation. Indem wir zu uns, zu unserem Leben mit aufrichtigem Herzen „ja, es ist in Ordnung“ sagen, beginnt etwas in uns sich tief zu entspannen. So lösen sich innere Blockaden. Was vorher verhärtet war, kann weich werden. Was wir abgelehnt hatten, weil es uns Angst gemacht hat, kann jetzt umarmt werden. So entsteht Heilung und ein tieferes Vertrauen in das Leben.

Die Hauptbotschaft in einer Psychotherapie als heilsame verwandelnde Begegnung ist folgende Ermutigung: Fühle Deine Gefühle und zwar bejahend! Nur dies bringt sie ins Fließen und sie können dann Deinen Körper verlassen. Verdrängte, abgelehnte Gefühle sind die größte Ursache für körperliche Krankheiten! Atmen Sie, nehmen Sie sich Zeit, Stille, Ruhe, fühlen Sie es körperlich, wo sich das Gefühl befindet, nehmen Sie Kontakt auf und dann sagen Sie sich den Satz: „Alles in mir darf jetzt da sein.“ Statt Wegmachversuche, laden Sie die Gefühle ein, sich zu melden und Sie begegnen ihnen körperlich. Du Angst bist mein Kind, Du darfst da sein. Jeder Körperdruck kommt durch Druck in unserem Geist, durch unsere Gedanken und nicht gefühlten Gefühle. Schmerz ist kein Gefühl, nur der Bote, dass dahinter ein nicht angenommenes Gefühl anklopft! Das Kind in Ihnen glaubt allerdings immer noch, es stürbe, es könne das Gefühl nicht aushalten, nicht ertragen. Notfalls holen Sie sich psychotherapeutische Hilfe dazu, um Ihre Gefühle anzunehmen. Dies ist praktizierte Selbstliebe und Selbstannahme. Pflegen Sie positive Erlebnisse und Gefühle: Kosten Sie die schönen Dinge des Lebens aus und genießen Sie Ihre Freuden mit allen Sinnen. Meditieren Sie, praktizieren Sie Achtsamkeit in Ihrem Leben, beten Sie, tanzen Sie, singen Sie! Suchen Sie öfters einen Ort der Stille auf, wo Sie sich selbst begegnen im inneren Raum des Friedens, wo Ihr Herz zu Ihnen spricht. Leider oft erst ausgelöst durch Krisen geht der Weg des Erwachsenen rückwärts, von der Birne zum Herz zurück, um zu werden, wie wir als Kinder waren: Vollkommene Wesen der Liebe mit offenem Herzen und voller Vertrauen.

Ob Sie sich selbst lieben können, zeigt sich übrigens daran, ob Sie mit sich allein sein können in der Stille und alles spüren können, was in Ihnen ist. Nehmen Sie sich öfters Zeit für sich allein, um wieder zu Sinnen zu kommen, um Sinn zu erleben, statt wie ein Automat durchs Leben zu rennen. Spüren Sie bitte nach, wie es sich für Sie körperlich anfühlt, wenn Sie folgende Sätze sagen: „Ja, es ist in Ordnung, dass ich jetzt an diesem Punkt meines Lebens stehe, an dem ich gerade bin. Ja, es ist in Ordnung, dass ich mein Leben nicht kontrollieren, nicht alles im Griff haben kann. Ja, es ist in Ordnung, dass ich unvollkommen bin, dass ich Fehler mache. Ja, es ist in Ordnung, dass ich so aussehe, wie ich bin. Ja, es ist in Ordnung, dass zu meinem Leben Licht und Schatten gehören.“

Erkennen Sie an, was jetzt ist, ja lieben Sie und nehmen Sie bejahend an, was schon da ist und kämpfen Sie nicht länger weiter gegen die Realität, respektieren Sie die Wirklichkeit! Allerdings ohne sich als Opfer anderer zu verstehen und zu leben. Verurteilen Sie sich und andere nicht, es gibt nur Erfahrungen. Jeder Verurteilung eines anderen liegt immer eine Selbstverurteilung zugrunde. Beurteilungen führen zu Schuldgefühlen und ewigen Wiederholungen und zur Verbitterung. Der andere braucht mein Nein, nicht meine Verurteilung! Werden Sie sich bewusst, was Sie tun, was Sie denken und was Sie fühlen- und übernehmen Sie dafür die volle Verantwortung, so kommen Sie wieder in Ihre Macht. Nur das, was wir annehmen, kann sich verändern. Ich erinnere an die bekannte Leidensformel: Leiden = Schmerz x Widerstand. Schmerz gehört zu diesem Leben, Leiden ist optional. Annehmen, was ist, verringert das Leiden und erleichtert uns das Leben; das Leben zu lieben, so wie es ist.

Wie viele von uns wünschen sich mal etwas ganz Besonderes zu sein, denken Sie an „Deutschland sucht den Superstar“ etc. Dabei sind wir alle etwas Besonderes. Gott schafft Originale, keine Kopien, wir sind alle Wunder, leider sterben allerdings viele durch ihr Verhalten als Kopie. Fangen Sie an, alles an sich zu ehren und würdigen, alles was Sie sind und machen. So geben Sie sich selbst die Ehre und Achtung zurück! Nur Sie können das, warten Sie nicht auf andere, die das tun!

Entdecken Sie die Stimme Ihres Herzens! Dies sind die leisen Stimmen, die Sie nur in der Stille hören, wenn Sie die lauten Stimmen hinterfragen, die Ihre unwahren Gedanken darstellen, die Sie von anderen übernommen haben, die Sie runtermachen, antreiben, hetzen, kritisieren, an Ihnen herumnörgeln. Nehmen Sie das Selbstunliebe-Programm achtsam wahr, legen Sie diese verurteilenden Gedanken in ihrer Vorstellung auf Blätter auf einem Fluss, wo sie vorbei treiben können, atmen Sie dabei und geraten zunehmend hierbei in den inneren Raum der Stille hinter den Gedanken und entdecken Sie hier Ihre eigene wahre Natur. Wer sich selbst liebt, ist ein Geschenk für andere!

Sei Du selbst, geh Deinen eigen Weg und gibt den anderen die gleiche Freiheit! Vergewaltige Dich nicht selbst und füge anderen auch keine Gewalt zu. Lass jedem die Freiheit.“ Die Liebe ist ein Kind der Freiheit.

Geben Sie sich vor allem zuerst das selbst, was Sie sich von anderen wünschen. Beobachten Sie Ihre Gedanken und fühlen Sie Ihre Gefühle wirklich, drehen Sie den Bereitschaftsschalter auf „on“, drehen Sie ihn ganz auf, laufen Sie nicht weiter vor Ihren Gefühlen weg und spielen Sie nicht länger Tauziehen mit dem vermeintlichen Monster, lassen Sie das Seil los, nehmen Sie Ihre Gefühle an und leben Sie dann die Werte, die Ihnen selbst im Leben wichtig sind. Überprüfen Sie ggf. in einer Therapie Ihr einengendes Selbstbild und einengendes Selbstkonzept, -was es in Ihnen über sich selbst denkt. Wir sind alle unendlich viel mehr als unsere Gedanken und unsere Gefühle. Allein schon, dass wir unsere Gefühle und Gedanken beobachten können, zeigt doch, dass wir mehr sind als diese „Wolken am Himmel“; ja wir, unser wahres Selbst, sind der Himmel, nicht die Wolken. Wir sind das Schachbrett und nicht die Figuren, nicht die Schwarzen und nicht die Weißen, zwischen denen der Kampf tobt. Wir sind liebende Wesen, ausgestattet mit innerer Wahlfreiheit, zu wählen, was wir selbst wollen, wenn wir uns nur dessen bewusst werden. Leider braucht es dazu bei vielen nicht nur eine, sondern mehrere Krisen. Lernen Sie daraus. Wer Sie sind, wer Sie sein wollen, was Sie über sich und das Leben denken, was Ihnen wichtig ist. Versauern Sie nicht länger hinter den Gitterstäben Ihres eigenen Gedankenkäfigs. Wachen Sie auf, werden Sie aktiv, lernen Sie, bejahend zu fühlen, üben Sie radikale Akzeptanz Ihren Gefühlen gegenüber und all dessen was ist, seien Sie achtsam, verurteilen Sie nicht und verurteilen Sie sich auch nicht für Ihre bisherigen Verurteilungen, handeln Sie stattdessen nach Ihren Werten, was nach Ihren Herzensvorstellungen ihrem Leben Sinn und Bedeutung gibt und Ihnen Fülle bringt. Fragen Sie sich, was würde die Liebe (jetzt) tun? Handeln Sie als Liebender, sich selbst und anderen und der Welt gegenüber und Ihr Leben wird sich von der Hölle zum Himmel wandeln!

Das wünscht Ihnen von Herzen

Dr. Wolf Maurer

 

Hierzu passende und weiterführende Hörbücher:

PSS 1-9,12,13,18,19,21,23,24,25,26,27

 

Charlie Chaplin –Rede zu seinem

70. Geburtstag

Als ich mich selbst zu lieben begann….

Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich verstanden, dass ich immer und bei jeder Gelegenheit,
zur richtigen Zeit am richtigen Ort bin
und dass alles, was geschieht, richtig ist –
von da an konnte ich ruhig sein.
Heute weiß ich: Das nennt man
VERTRAUEN.

Als ich mich selbst zu lieben begann,
konnte ich erkennen, dass emotionaler Schmerz und Leid
nur Warnungen für mich sind, gegen meine eigene Wahrheit zu leben.
Heute weiß ich: Das nennt man AUTHENTISCH SEIN.

Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich aufgehört, mich nach einem anderen Leben zu sehnen
und konnte sehen, dass alles um mich herum eine Aufforderung zum Wachsen war.
Heute weiß ich, das nennt man „REIFE“.

Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich aufgehört, mich meiner freien Zeit zu berauben,
und ich habe aufgehört, weiter grandiose Projekte für die Zukunft zu entwerfen.
Heute mache ich nur das, was mir Spaß und Freude macht,
was ich liebe und was mein Herz zum Lachen bringt,
auf meine eigene Art und Weise und in meinem Tempo.
Heute weiß ich, das nennt man EHRLICHKEIT.

Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich mich von allem befreit, was nicht gesund für mich war,
von Speisen, Menschen, Dingen, Situationen
und von Allem, das mich immer wieder hinunterzog, weg von mir selbst.
Anfangs nannte ich das „Gesunden Egoismus“,
aber heute weiß ich, das ist „SELBSTLIEBE“.

Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich aufgehört, immer recht haben zu wollen,
so habe ich mich weniger geirrt.
Heute habe ich erkannt: das nennt man DEMUT.

Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich mich geweigert, weiter in der Vergangenheit zu leben
und mich um meine Zukunft zu sorgen.
Jetzt lebe ich nur noch in diesem Augenblick, wo ALLES stattfindet,
so lebe ich heute jeden Tag und nenne es „BEWUSSTHEIT“.

Als ich mich zu lieben begann,
da erkannte ich, dass mich mein Denken
armselig und krank machen kann.
Als ich jedoch meine Herzenskräfte anforderte,
bekam der Verstand einen wichtigen Partner.
Diese Verbindung nenne ich heute „HERZENSWEISHEIT“.

Wir brauchen uns nicht weiter vor Auseinandersetzungen,
Konflikten und Problemen mit uns selbst und anderen fürchten,
denn sogar Sterne knallen manchmal aufeinander
und es entstehen neue Welten.


Heute weiß ich:
DAS IST DAS LEBEN !

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