Bewusstseinstexte Dr. W.-J. Maurer

Wer bin ich?

von Dr. Wolf-Jürgen Maurer

 

Wer bin ich eigentlich?“ Vielleicht haben Sie sich diese Frage mitten im Stress auch schon einmal -flüchtig- gestellt?

Ich weiß gar nicht mehr, wo mir der Kopf steht: Wer bin ich? Was mach ich denn hier? Was soll ich? Wer bin ich denn für den Chef, meine Eltern oder für meinen Partner? Für wen hält der mich?“

Diese oder ähnliche Fragen zeugen bereits von innerer Verunsicherung und Verwirrung , sowie von diffuser Unzufriedenheit.

Aber wir sollten uns diese Frage nicht nur flüchtig, sondern ruhig bewusst stellen.

Denn dies ist eine existentielle Frage, die nach unserer Identität und unserem Selbstbild fragt und damit Potential hat, unser Selbstkonzept durcheinanderzuwirbeln.

Es ist eine Frage, die ihre Welt verändern kann, wenn Sie wirklich Ihren möglichen Antworten lauschen und sie hinterfragen.

Oft identifizieren wir uns ja mit unseren Rollen, die wir beruflich, privat oder familiär für andere Spielen-und diese Rollen haben wir oft bereits in unserer Primärfamilie in der Kindheit früh gelernt.

Leider haben wir sie dann unbewusst auch ins Erwachsenenleben übernommen und an der Schwelle des Erwachsenwerdens nie bewusst hinterfragt.

So stellen wir uns die Frage nach unserem Selbstbild und Identität erst im Rahmen einer Krise oder einer Erkrankung- wenn es so wie bisher nicht mehr weitergeht.

Und wir einen zu hohen Preis zahlen für die Art, wie wir unser Leben gestalten, oder besser gesagt, uns von unseren Rollen und Erwartungen anderer Menschen leben lassen.

Und nur noch halb betäubt im Autopilotmodus unsere To-do-Listen hochfunktional abarbeiten.

Doch soweit sollten wir es gar nicht erst kommen lassen, wie die nachfolgende Geschichte erzählt:

Es war einmal eine Frau, die im Koma lag. So lag sie lange. Doch dann erschien es ihr, als sei sie schon tot, als wäre sie  im Himmel und stände nun vor einem Richterstuhl.

Wer bist du?” fragte eine Stimme.

Ich bin die Frau des Bürgermeisters” antwortete die Frau.

Ich habe nicht gefragt, wessen Ehefrau du bist, sondern, wer du bist.”

Ich bin die Mutter von vier Kindern.”

Ich habe nicht gefragt, wessen Mutter du bist, sondern wer du bist.”

Ich bin eine Lehrerin.”

Ich habe auch nicht nach deinem Beruf gefragt, sondern wer du bist.”

Ich bin Christin.”

Ich habe nicht nach deiner Religion gefragt, sondern wer du bist.”

Und so ging es immer weiter. Alles, was die Frau erwiderte, schien keine befriedigende Antwort auf die Frage “Wer bist du?” zu sein.

Irgendwann erwachte die Frau aus ihrem Koma und wurde wieder gesund.

Sie beschloss nun herauszufinden, wer sie war.

Und darin lag der ganze Unterschied.

(nacherzählt nach Anthony de Mello)

Wir könnten bei der Auseinandersetzung mit der Frage: „Wer bin ich?“ darauf stoßen, dass wir uns selbst gar nicht richtig kennen. Dass wir uns gar nicht richtig spüren, sondern nur im Kopf leben. Nur Normen zu erfüllen versuchen.

Wir könnten entdecken, wie eingezwängt und eingeengt wir leben und uns selbst Freiräume beschnitten haben, aus Angst vor Konflikten, andere zu enttäuschen oder allein zu sein.

Dann könnten wir entdecken, dass wir viel mehr sind als was wir leben- doch wir kommen nur so selten dazu. Wir könnten uns fragen, wie wir als Kind waren. Welche Seiten seitdem unterdrückt wurden. Nach dem Motto des Bestsellers von Richard David Precht: „Wer bin ich und wenn ja wie viele?“ könnten wir verschiedene Seiten unserer Persönlichkeit entdecken. Auch unsere Kellerkinder und Schattenseiten. Wir könnten entdecken, dass wir bisher die Umstände bestimmen ließen, wer wir sind. Und merken, wie sehr wir uns mit Gedanken und Gefühlen identifiziert haben und uns durch ein begrenztes Selbstkonzept und alte ungeprüfte Glaubenssätze selbst in unserem kreativen Potential beschränkt haben.

Schließlich merken wir vielleicht, dass diese kleine Frage unser kleines „Angst-Ich“, unser Ego, das wir uns in Abgrenzung zu anderen konstruiert haben, nicht das sein kann, was wir selbst wesentlich eigentlich sind.

Nach der Entdeckung eines falschen Selbst beginnen wir vielleicht eine spirituelle Suche nach unserem wahren Selbst jenseits der gedanklichen Begrenzungen.

Wir sind mehr als unsere Gedanken, mehr als unsere Gefühle, unser Körper, unsere Rollen, denn wir können dies alles in unserem Geist achtsam beobachten.

Doch wer beobachtet da?

Wir kommen schließlich dahin, dass wir der beobachtende Geist, ja das Bewusstsein selbst sind.

Dass es dieses kleine Ich gar nicht gibt, das ständig durch seine gedanklichen Beurteilungen künstliche Trennungen verursacht.

Schließlich führt uns diese Frage vielleicht, wenn wir mutig genug sind und darüber meditieren, in einen stillen Raum unseres Geistes jenseits der automatischen Gedanken unseres konditionierten Verstandes.

Wir verlassen den vertrauten Angstkäfig und spüren zu unserer Überraschung plötzlich… eine tiefe Ruhe, inneren Frieden, und Freiheit…und entdecken ein spontanes Lachen und eine große unbedingte Freude.

Wir entdecken einen Zustand von liebevoller Verbundenheit mit allem was ist; und dass wir selbst voller Liebe sind.

In diesem Zustand existiert keine Angst, die etwas mit unserer künstlichen Abgrenzung und der Identifizierung mit einem engen verletzlichen Selbstkonzept zu tun hat.

Dann merken wir, wie dieser geistige Zustand von innerem Frieden und Liebe uns trägt.

Und wir sind, wenn wir uns im Alltag zumindest zeitweilig im Hintergrund dieses Erleben von Stille bewahren können, nie mehr ganz dieselben.

Es ist der Beginn unserer Freiheit- unseres Weges zur Zu-frieden-heit.

Wir entdecken dann, dass der Weg zum Glück nicht über das Tun führt, um erst etwas zu haben, damit wir dann endlich etwas sind, sondern dass die Entdeckung unseres Seins die Basis ist für Freiheit, Verbundenheit, Frieden und Glück

Mut zu einer persönlichen Auseinandersetzung mit dieser kleinen Frage, die es in sich hat, und die das Ego deswegen fürchtet , da es seine Grundlage erschüttern wird,

wünscht Dr. Wolf Maurer

 

weiterführende Hörbücher:

PSS 27, 15, 18, 19, 2123, 25, 26, 27

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