Gegen die Angst, für die Liebe entscheiden
von Dr. med. Wolf-Jürgen Maurer
Die meisten von uns erleben die Welt als einen Ort an dem Angst, Schuld, Unfrieden und Leid vorherrschen. Wir können aber weder die äußere Welt noch die anderen Menschen wirklich verändern. Das einzige, das wir beeinflussen können, ist das eigene Denken und unsere Wahrnehmung. Wenn wir uns auf diesen inneren Weg der Wandlung begeben und uns gegen die Angst und für die Liebe entscheiden, erfahren wir Frieden, Glück und Heilung.
Irgendwann – meist in der Lebensmitte – kommt fast jeder Mensch an den Punkt, an dem Schmerz, Angst, Schuldgefühle oder Leiden so groß werden, dass er sich fragt, ob es nicht einen anderen Weg gibt. Ob man nicht besser miteinander umgehen und kommunizieren, nicht verbundener sein kann. Stattdessen fühlen wir uns voneinander getrennt, greifen uns gegenseitig an und verstricken uns im Teufelskreis des Leidens als Opfer oder Täter.
Wie der Psychiater Gerald Jampolsky in seinem schönen Buchtitel schreibt: „Lieben heißt, die Angst verlieren“, kann die Angst als Weckruf verstanden werden, mehr zu lieben als zu fürchten – ein Weckruf fürs Leben und die Liebe. Unsere Ängste entstehen aus der Prägung unseres Verstandes durch frühere Beziehungserfahrungen und -verletzungen. Es sind nicht Menschen oder äußere Umstände, unter denen wir leiden. Sondern der ängstliche Teil in uns, das furchtsame Ego, projiziert vergangene Opfer-Täter-Muster immer wieder in die Zukunft. Wir sind allerdings mehr als unser konditionierter Verstand mit angelernten, automatisierten Gedanken und Gefühlsmustern. Wir sind Teil eines verbundenen Geistes und dieser innere Wesenskern eines jeden Menschen besteht aus Liebe, Frieden und Gelassenheit. Wann immer unser Geist Frieden empfindet, fühlt diesen auch unser Körper. Unsere friedvolle Stimmung überträgt sich auch auf andere.
Der leidende Körper, der Krankheitssymptome entwickelt, möchte uns etwas lehren: Er gibt wie auf einem Bildschirm alle Gedanken und Gefühle wieder, die wir in ihn hineinprogrammieren. Unser Körper hat allerdings keine Wahl, sondern ist gezwungen, die vorhandenen Gedanken zu manifestieren, ob sie nun voller Konflikte und Ängste sind, oder friedlich, liebevoll und glücklich.
Aber unser Verstand hat die Wahl, und wir können uns zwischen Liebe und Angst entscheiden. Die Welt und die anderen Menschen können wir zwar nicht ändern, aber wir können bei uns selbst anfangen. Diese Erkenntnis beschrieb der persische Dichter und Mystiker Rumi (1207 – 1273) so: „Gestern war ich klug und versuchte, die Welt zu verändern. Heute bin ich weise und ändere mich selbst.“
Heilung: negative Gedanken und alte Gefühle loslassen
Heilung bedeutet also, die Angst und unsere negativen Gedanken aus der Vergangenheit loszulassen. Angst und Schmerz fordern uns heraus zu wählen, ob wir in einer inneren Welt von Konflikten, Angst und Trennung oder in Liebe und Frieden leben wollen. Der eigene Seelenfrieden sollte das oberste Ziel sein; Vergebung, Versöhnung, liebevolle Verbundenheit und Kommunikation die wichtigste Lebensaufgabe! Erkennen Sie, welche zerstörerische Wirkung es hat, wenn Sie an Ihren Beschwerden und an Ihrer Vergangenheit festhalten, anderen die Schuld geben und sich oder andere verurteilen.
Liebe ist die Antwort auf alle Probleme. Im Neuen Testament steht bereits: Nur die vollkommene Liebe vertreibt die Angst. Gerade die Menschen, mit denen wir Konflikt haben, und die uns unseren eigenen konfliktbeladenen Geist spiegeln, sind unsere besten Lehrer. Gleichzeitig sollten wir unsere Projektionen zurücknehmen und im Jetzt ankommen.
Angst und Liebe können niemals gleichzeitig erlebt werden. Es sind unsere schuldbelasteten Ängste aus der Vergangenheit, die unsere Fähigkeit blockieren, bedingungslose Liebe in der Gegenwart zu geben und zu empfangen. Wir haben die Wahl, auf welche der beiden Gefühle wir uns konzentrieren. Wenn wir die Vergangenheit und unsere Urteile abschütteln, können wir die Qualität unserer Beziehungen verändern – weg von Schuld, Konflikt und Trennung, hin zu Frieden, Verbundenheit und Liebe. Wir sind nicht das Opfer der Welt, die wir wahrnehmen. Die Vergangenheit kann uns nicht mehr berühren, und wir müssen sie nicht in die Zukunft projizieren. Stattdessen könnten wir Gelassenheit erfahren und alle verletzenden Gedanken verändern. Wir selbst sind verantwortlich für das, was wir sehen. Alles, was uns begegnet, ist entweder ein Ausdruck der Liebe oder ein ängstlicher Schrei danach! Bevor wir impulsiv reagieren und uns rechtfertigen, angreifen, verteidigen oder beleidigt zurückziehen, ist es besser nichts zu sagen und nur das Wort „Frieden“ zu denken oder nach innen zu fragen, „Liebe, was würdest du tun?“
Allerdings sollten wir nicht gegen unsere Ego-Gedanken und auch nicht gegen die aus ihnen resultierenden Gefühle ankämpfen, denn Zwang ist kein Weg zum Frieden. Wir geben all unseren Gefühlen aus einer achtsamen Haltung heraus Raum, sie im Körper zu empfinden und durch uns durch fließen zu lassen-bis Stille und Entspannung entsteht. Wir schauen unsere Gedanken bewusst an und erkennen, dass sie weder das sind, was wir wollen, noch das, was wir sind und auch nicht das, was wir anderen entgegenbringen möchten. Dann wenden wir uns unseren tieferen, wesentlicheren Gedanken zu, den Gedanken des Verstehens, der Vergebung und der Dankbarkeit.
Entscheidungen sollten wir nicht aufgrund unserer angstbesetzten Vergangenheit treffen, sondern auf die leise innere Stimme der Liebe hören. Sie spricht zu uns, wenn wir in die Stille gehen, alle Aktivitäten einstellen, auf unser Herz hören. Vielleicht flüstert sie: Wir sind nicht voneinander getrennt, und Du bist nicht allein.
Unser inneres Wesen ist ein liebendes und der Sinn jeglicher Kommunikation das Verbindende. Wir alle sind im Kern liebenswert. Das ist unser natürlicher, glücklicher Seins-Zustand. Dieser Wesenskern ist unverletzlich, er kann weder durch eigenes Verhalten noch durch das von anderen beschmutzt oder verändert werden.
Wir haben die Wahl: Liebe vertreibt die Angst
Viele Menschen empfinden ihr Leben als sinnlos. Sie scheinen ständig im Halbschlaf zu sein, selbst dann, wenn sie einer wichtigen Beschäftigung nachgehen. Das liegt daran, dass sie den falschen Dingen hinterherjagen. Der Weg, das Leben sinnvoll zu gestalten, besteht darin, sich liebevoll seinen Mitmenschen zu widmen, und sich darauf zu konzentrieren, etwas zu schaffen, was uns eine Richtung und eine Bedeutung gibt. Die herrschende, Menschen bedrohende Kultur und ihre Götzen – Geld, Konsum, materielle Dinge und Macht – stillen weder unseren Hunger nach Liebe noch sind sie ein Ersatz für Zärtlichkeit. Was wirklich befriedigt, ist anderen das anzubieten, was man selbst zu geben hat: Zeit, Fürsorge, Zuhören, Zärtlichkeit. Wenn wir mit anderen singen, lachen und tanzen, ihnen alles, was wir an Liebe haben, geben, gütig und mitfühlend sind, Verantwortung übernehmen und Gefühle zeigen, dann könnte die Welt ein sehr viel besserer Ort sein.
Wenn wir einander lieben können, dann können wir sterben, ohne jemals fortzugehen. Wir leben weiter in den Herzen aller Menschen, die wir berührt und denen wir Gutes getan haben. All die Liebe, die wir geschaffen haben, bleibt in der Erinnerung, oder wie Albert Schweizer es formulierte: „Am Ende des Lebens zählen nur die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen.“
Wer sind wir?
“Der Schlag der Einsicht“ von Dr. Jill Bolte Taylor, Neuroanatomin
“Ich war zu Tränen gerührt,als ich diesen TED-Vortrag hörte. Wir sind mehr als unsere Körper. Wir sind unsterbliche geistige Wesen, die eine zeitweilige Erfahrung in einem Körper machen und uns zeitweilig mit der Identifikation unserer linken Hirnhemisphäre, unseres kleinen Angst Ich, des Egos, voneinander trennen. Doch wir können uns erinnern und in unserem Herzen so wie in einer Meditation erfahren, dass wir eins sind, nicht allein oder getrennt. Und wir können dabei unsere Angst verlieren, und tiefen Frieden jenseits unserer trennenden und begrenzenden gedanklichen Urteile erleben und unendliche Freude, Liebe und Verbundenheit.
Ist es verwunderlich, dass du infolge deiner gedanklichen Kategorisierungen, Interpretationen und Bewertungen Groll hegst, solange du glaubst, in dieser Welt in einem getrennten Körper gefangen zu sein? Dein Groll verhindert, dass du siehst, was du in Wahrheit bist: Du bist frei! Du bist nicht das Opfer dieser Welt. Du bist das Licht der Welt. In deinem Geist – nicht in der Welt – liegt deine Erlösung. Deshalb erinnere dich daran, dass du Geist bist und ein Kind der allverbindenden Liebe und die Angst nur eine Illusion und Produkt der Unglücksfalle deiner gedanklichen trennenden Urteile und Bewertungen.“
Ihr Dr. Wolf-Jürgen Maurer
Weiterführende Hörbücher:
PSS 2,7,9,18,19,23,24, und v.a. 26
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