Lebensarrangement oder erfüllende Partnerschaft – Wie der Schmerz innerer Kinder Partnerschaft verhindert
von Dr. med. Wolf-Jürgen Maurer
Beziehung auf der Grundlage von Schmerz oder Liebe – Bleiben oder Gehen?
In Beziehungen suchen viele Menschen ihr Glück- und schmoren alsbald in einer wahren Hölle.
Alles beginnt mit so viel Hoffnung und endet in tiefster Verzweiflung, Schmerz, Frust oder Leere.
Der Wunsch nach Befreiung wächst.
Dann erscheint Partnerrecycling als die einfachste Lösung.
Nochmal ganz neu beginnen.
Neuer Partner, neues Glück.
Der Nächste wird endlich der Richtige sein.
Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben…wirklich?
Oder nimmt man sich selbst nicht immer in jede neue Situation und neue Beziehung mit?
Solange wir Erlösung von unserem Unglück in einer Beziehung suchen und uns selbst noch gar nicht richtig gefunden haben, verdoppeln wir nur das Unglück.
Je unglücklicher und erlösungsbedürftiger, umso heftiger ist dann oft die Anziehung zu einem neuen Menschen und ekstatischer die Gefühle, die er in uns auslöst.
Endlich den Seelenpartner gefunden!
Endlich angekommen!
Doch oft ist hierbei nicht eine große Liebe die Grundlage für die heftige Anziehung und intensiven Gefühle, sondern der unerlöste Schmerz der eigenen Kindheit.
Und genau den erleben und reinszenieren wir nur unbewußt wieder in dieser besonderen Beziehung, die sich oft erstaunlich schnell vom siebten Himmel der romantischen Idealisierung zur besonders heißen Feuer-Hölle des Kampfes und des Hasses oder der Eiswüste der Kaltherzigkeit und des emotionalen Erfrierens wandelt.
Irgendwann stirbt die Hoffnung, sich doch noch einmal in einer Beziehung wirklich zu Hause zu fühlen.
Erschöpfung und Resignation folgt und auch Depression schleicht sich ein -als Echo der Seele auf das Lebensarrangement, indem man sich frustriert versucht einzurichten auf der Grundlage der Defizite, der eigenen und der des Partners, dem man sich fremd fühlt oder einen langweilt, wenn er nicht nervt.
Ankommen ist nicht möglich, solange man in seinem eigenen Wesen noch nicht zu Hause ist.
Viele Menschen können sich gar nicht in ihrem eigentlichen Wesen begegnen, da sie in einem falschen Selbst gefangen sind , in einer inneren Realität, geprägt durch die frühesten Beziehungserfahrung, die mit den eigenen Eltern gemacht und verinnerlicht wurden.
Je mehr diese erste Beziehungserfahrung geprägt war von Ablehnung oder Nicht-Annahme des eigenen Wesens, umso weniger gelingt die Kontaktaufnahme und Entwicklung des eigenen wahren Selbstes.
Aus emotionaler und existenzieller Abhängigkeit in unseren ersten Lebensjahren passen wir uns als Kinder an, um zu überleben, verbiegen uns selbst und entfremden uns immer mehr von uns selbst- dies ist die Wurzel der Neurose und späterer psychischer und psychosomatischer Erkrankungen.
Ausgehungert nach Liebe und Anerkennung übertragen wir diese erste Beziehung auf andere Beziehungen und auf unseren Partner.
Wir begegnen diesem nicht mit unserem Wesenskern, sondern mit dieser früh gebildeten inneren Realität.
Wir sehen und interpretieren automatisch alles aus dieser Brille heraus und projizieren unseren alten Schmerz, solange wir ihn nicht in uns selbst aufgelöst haben.
Unsere unbewussten Kernüberzeugungen des verletzten inneren Kindes steuern unser Liebesleben und erzeugen wieder dieselben schmerzlichen Gefühle, von denen wir eigentlich von diesem besonderen Menschen erlöst werden wollten.
So verstricken wir uns mit unserem Partner aus unseren nach dem Schlüssel-Schloß-Mechanismus jeweils getriggerten inneren Realitäten heraus.
Unsere inneren kindlichen Realitäten unserer frühen Bindungsverletzungen kämpfen gegeneinander in die Beziehung zerstörenden Teufelsdialogen von Anklagen und Beschuldigen, kaltem Rückzug und Abschottung und gegenseitiger Entwertung.
Und nicht selten trennen sich Partner, die sich in ihrem wahren Wesen gar nie wirklich begegnet sind.
Mein Partner, meine und seine innere Realität der verletzten inneren Kinder und ich selbst.
Erst wenn wir beide bereit sind, Verantwortung für unsere eigenen verletzten inneren Realitäten und unsere automatischen Abwehr-,Schutz- und Kompensations-Strategien zu übernehmen, die den alten Schmerz tragischerweise immer wieder ungewollt aufleben lassen, hat die Beziehung wirklich eine Chance.
Sofern wir nicht bereit sind, dem eigenen alten Schmerz auf den Grund zu gehen und ihn in unserem Inneren wirklich aufzulösen, sind wir nicht frei für eine Begegnung auf Augenhöhe und die Auflösung unserer gegenseitig verletzenden Beziehungsverstrickungen.
Solange leben wir einer Alptraumwelt bevölkert von Opfern, Tätern, Verfolgern und Rettern und haben unser Elternhaus noch nicht wirklich verlassen, weil wir noch nicht die kindliche Versorgungs- und Erlösungshoffnung nach stellvertretender Wiedergutmachung durch unseren Partner verlassen haben (siehe meinen Bewusstseinstext: Opfer Täter, Retter und was für ein Drama!).
Verletzte ungeheilte Kinder können keine erwachsene Liebe gemeinsam gestalten.
Sie suchen Beziehung auf der Grundlage des Schmerzes ihrer inneren Realität und nicht auf der Grundlage der Liebe, die nur aus ihrem inneren Wesenskern heraus möglich ist.
Wer noch nicht erwachsen geworden ist und noch nicht aus seinem eigen Wesenskern heraus lebt, kann einem anderen Menschen nicht auf Augenhöhe begegnen.
Er will vom anderen gesehen und erkannt werden, kann aber selbst nur seinen alten Schmerz projizieren und den anderen somit nicht wirklich sehen und annehmen.
So schützen sich dann beide immer mehr voreinander und verlieren sich immer mehr in Beziehungen und den Kontakt zu ihrer wahren Identität.
Die Entscheidung, ob es besser ist, zu bleiben oder zu gehen, kann nur wirklich getroffen werden, wenn man sich zuvor seiner inneren Realität gestellt hat.
Insofern hat man nie den falschen Partner, denn auch wenn man ihn als „Arsch“ erlebt, kann er wie ein „Engel“ einem die Botschaft und Erkenntnis für ungeheilten alten Schmerz und eine das Leben und Glück verhindernde innere Realität verschaffen, um endlich zu seinem wahren Wesen befreit zu werden.
Nicht durch den Partner, sondern dadurch, dass man sich seinem alten Bindungs-Schmerz selbst innerlich stellt- und allen schmerzhaften Gefühlen und frühen Erinnerungen-, um sie im inneren emotionalen Dialog aufzulösen.
Erst wenn man mit seinen ersten Beziehungserfahrungen im emotionalen Frieden ist, ist der Blick auf die eigene Partnerschaft klar- und nicht selten können, nachdem beide ihre inneren Realitäten erkannt und aufgelöst haben, sie sich erstmals begegnen.
Oder sie erkennen, daß zu wenig Grundlage für eine wirkliche intime Beziehung da ist, und können, ohne sich als Opfer zu erleben, gehen, um dann frei zu sein für eine erfüllende Beziehung auf Augenhöhe und eine Begegnung aus Ihrem Wesenskern heraus.
Entscheidend ist also, radikale Verantwortung für die vom Partner nur ausgelösten eigenen Gefühle und Gedanken zu übernehmen und sie bis zu ihrer frühesten Erlebniswurzel zurückzuverfolgen, um sie dort mit allen negativen Grundüberzeugungen aufzulösen (siehe meinen Bewusstseinstext: Befreit leben – werde der du wirklich bist).
Erst wenn man die Versorgungs- und Wiedergutmachungsansprüche des verletzten inneren Kindes losgelassen und kindliche Mangelerfahrungen anerkannt, bewütet und betrauernd verschmerzt und vergeben hat, die jede Partnerschaft überfordern, ist man erwachsen geworden.
Und nur wer andere nicht mehr für die eigene kindliche Erlösungshoffnung braucht und missbraucht, schlittert nicht mehr von einer unbefriedigenden besonderen Beziehung in die nächste oder kann erst dann endlich eine unmögliche Beziehung auf der Grundlage von Schmerz verlassen.
Sonst wird der Schmerz nur weitergegeben-nicht zuletzt an die eigenen Kinder, die in ihrem eigenen Wesen dann wiederum nicht angenommen werden können, solange sie in das elterliche Drama zweier sich bekämpfender Pseudoerwachsener – oft als der heimliche Partner eines Elternteils – missbräuchlich einbezogen werden.
Denn Kinder lernen von der Art wie Eltern miteinander, dem Kind und sich selbst umgehen, ihr prägendes Modell von Bindung und Beziehung, und ob der Kontakt zu ihrem wahren Wesen möglich ist oder sie sich stattdessen aus Überlebensgründen mit einer falschen inneren Realität identifizieren müssen.
Beziehungen sind also – gut verstanden – kein Sanatorium, sondern eine einzige Selbsterfahrung und Chance für persönliche Entwicklungshilfe.
Lieben und sich lieben lassen und wirkliche Begegnung- auf Augenhöhe- ist nur aus dem eigenen wahren Wesen heraus möglich.
Eine passive Erlösungshoffnung aus eigenem Mangel und Unglück wird immer enttäuscht.
Wer sich dem Schmerz seiner alten kindlichen inneren Realität nicht mit dem Ziel der Heilung stellt, wird ihn immer wieder im Außen erleben und versuchen im Sinne eines Lebensarrangements als Ersatz für erfüllende Partnerschaft oder erfüllendes Selbstsein den Partner an seine innere Realität anzupassen oder als ziellos Suchender den einen Partner zu finden, der schließlich doch noch hoffentlich zu seiner inneren Realität passt.
Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt und Sehnsucht ist unheilbar (siehe meinen gleichlautenden Bewusstseinstext).
Und das wahre Leben wartet.
Warten Sie nicht zu lange.
Krankheit wäre der Preis.
Wachen Sie aus Ihrem persönlichen Alptraum auf.
Richten Sie sich nicht in Ihrem Unglück ein.
Verlassen Sie Ihre Komfortzone der gewohnten Hölle.
Glück ist möglich – auch für Sie – dafür aber gilt es erwachsen zu werden und mutig radikale Verantwortung für Ihr Denken, Fühlen und Handeln und Ihre Beziehungsmuster zu übernehmen.
Finden Sie zu sich – dann finden Sie zur wahren Liebe.
Das wünscht Ihnen,
Dr. Wolf Maurer
Weiterführende Hörbücher:
PSS 9, 7, 27, 15, 19, 21, 25, 26, 18